Dass die meisten Menschen der Natur heute entfremdet seien, ist wahrscheinlich ein zutreffendes Vorurteil. Dass „wir“ die Natur zerstören, stimmt sowieso. – „Wir“ soll heißen: wir mit den Konsumgüterschrotthalden, den Produktbergen der Lebensmittelindustrie, den 100-Pferde-für-ein-halbes-Mittelklassenarschloch-Wagen. – Schön ist es da, dass sich Teile der Natur nicht von „uns“ entfremden, sondern weiterhin ungerührt Menschennähe suchen, als gäbe es nichts Angenehmeres.
Kommt es dabei auch nur zum allerkleinsten nachbarschaftlichen Konflikt, verhält sich der moderne Mensch gegenüber dem jeweiligen Problemtier in der Regel so aufgeklärt, als hätte es die letzten 10 000 Jahre Menschheitsgeschichte nicht gegeben. Dann wird das Tier zum Dämon, der wahrscheinlich die ganze Welt verschlingen will, wenigstens aber kleine Kinder frisst. Doch anders als vor 10 000 Jahren verehrt der moderne Mensch diesen Dämonen nicht. Er ist abergläubisch, aber heilig ist ihm trotzdem nichts. Die Angst vor dem Tier ist die Angst vor dem Fremden, das das Tier ist. Und die Angst vor dem Fremden ist die Angst vor all dem, das man in das Fremde hinein projiziert. Und das sind immer nur die eigenen Dämonen. Die allerdings sind real.
Ich bin stolz und glücklich, hier auf dem Raushau-Blog sensationelles von mir selbst gedrehtes Filmmaterial präsentieren zu können. Es handelt sich um atemberaubende Nahaufnahmen des gefährlichsten Tiers Deutschlands, der Gemeinen Wespe (Vespula Vulgaris). [Ich habe die Wespe, ihre Gefährlichkeit und meine Sympathien für sie vor einigen Jahren schon einmal auf diesem traditionsreichen Blog gewürdigt: Link] Dieses Volk hat sich sein Nest in einer Verkehrsampel an der Barfusstraße eingerichtet. Das als eine geniale Idee zu bezeichnen, wäre sicherlich eine unzulässige Vermenschlichung wespischer Verhaltensweisen. Ich finde es trotzdem grandios. Es scheint mir überdies ein souverän großstädtisches Verhalten zu sein, wie es nur Wedding-Wespen an den Tag legen können. Die Gentrifizierung dürfte solche Behausungen für solche Bewohner in anderen Teilen Berlins bereits unmöglich gemacht haben. Unerschrocken habe ich mich mit meiner Digiknipse mit kaputtem Zoom bis auf wenige Zentimeter an das Nest heran gewagt. So ist es mir unter Einsatz meines Lebens gelungen, die legendäre Angriffslust unseres schärfsten Nahrungskonkurrenten in den Monaten August bis September zu dokumentieren.