Martin Thoma Weihnachtskonzert

Ich habe dieses Jahr nicht nur weniger (an dieser Stelle) gebloggt, als ich mir das eigentlich vorgenommen hatte, ich bin auch besonders in der zweiten Jahreshälfte viel zu wenig mit meiner Gitarre auf Bühnen gewesen.

Um beides zumindest ein bisschen auszugleichen, hier mein (knapp) vorweihnachtliches Weihnachtsgeschenk für alle, die es hören wollen. Es ist vor keinem anwesenden Publikum (mit Ausnahme der Puppe rechts im Bild) am 15. Dezember 2015 live in meiner Wohnung aufgenommen.

Lieder:

(Video 1)

Achtelmond

Strahlen

Irgendwer für Dich

(Video 2)

Kerosin

Die Null

Schwarze Wege

(Video 3)

Unterwegs nach Süden (Hannes-Wader-Cover)

Am Ort, wo das Leben weitergeht

Ich komme aus der Nacht

Wachlied

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Superputin besiegt einen Alptraum

Die fiktive Figur Superputin ist einem Text von Saadi Isakov entnommen. Saadi möge mir den Diebstahl bitte verzeihen. Für inhaltlich und/oder formal Anstößiges oder Misslungenes in meinem Text bin selbstverständlich ich allein verantwortlich.

Was viele Menschen nicht wissen und, wenn man ihnen davon erzählt, oft zuerst gar nicht glauben wollen: selbst Superputin wird gelegentlich in seinem Schlaf von schlechten Träumen geplagt. Einmal verfolgte ihn ein besonders furchterregender sogar über mehrere Wochen. In dem Traum flog Superputin mit Superkräften über sein schönes großes Land und überall winkten ihm die Menschen am Boden fröhlich lachend zu und erwiesen ihm Dankbarkeit und Respekt. Doch dann kam immer der Moment, wo ihn ohne erkennbaren Grund seine Superkräfte verließen und er unaufhaltsam nach unten stürzte. Dieser Sturz nahm die qualvoll längste Zeit des Traumes ein und schien einfach nicht enden zu wollen. Und während er stürzte, wurde das Land unter Superputin im Näherkommen nicht etwa größer, sondern kleiner. Es schrumpfte in sich zusammen, es schrumpfte immer weiter und kurz bevor der stürzende Superputin auf dem Boden aufgeschlagen wäre, war es ganz verschwunden und Superputin stürzte immer noch – er schrie jetzt – und dann erwachte er. Doch statt mit seiner üblichen Supermorgenlatte jedes Mal mit einem schrumpeligen Winzzipfel und in kalten Schweiß gebadet.

Superputin überlegte, woher die schrecklichen Träume kommen könnten. Vielleicht tu ich tagsüber zu wenig und bin deshalb abends nicht müde genug, dachte er sich. Ich sollte mehr Sport treiben, mich so richtig auspowern, dass ich wie tot ins Bett falle und sofort in einen traumlosen Schlaf sinke.

Wegen seiner Superkräfte gestaltete sich dieses Vorhaben relativ schwierig. Denn was für einen normalen Menschen schon Hochleistungssport gewesen wäre, war für Superputin nicht anstrengender als beim Laden gegenüber eine Schachtel Zigaretten kaufen. Aber er bemühte sich. Mit seinem treuen Panzer Emma gewann er überlegen die russische Formel 1. Auf einem wilden Elefanten ritt er zu den höchsten Gipfeln des Ural. In nur zwei Stunden wurde er Weltmeister in Schach, Boxen und Synchronspringen. Mit seinen spektakulären Leistungen begeisterte er die Menschen. Künstler standen Schlange, weil sie Porträts von ihm anfertigen wollten, eine 50 Meter hohe mamorne Reiterstatue – Superputin mit fest entschlossenem Blick auf dem wilden Elefanten – und ein Wandflies, das seinen historischen Sieg im Hallenjojo darstellte, entstanden. Aber es gab ihn auch in kleineren, erschwinglicheren Formaten: als Schlüsselanhänger, als Smartphonehülle, als Kondom mit Erdbeergeschmack. Superputin nahm die Huldigungen seiner Untertanen entgegen, doch sein Gesicht blieb versteinert und in seinem Inneren verzweifelte er beinahe. Denn der Alptraum war trotz all seiner Anstrengungen nicht verschwunden. Also beschloss er für einen Monat auf Einhornjagd in die Taiga zu gehen. Er ging ganz allein (nur ein paar wenige Fotografen, Maler und Bildhauer an seiner Seite), mit nichts mehr als Boxershorts bekleidet. Während der Jagd, in der er ein Dutzend Einhörner für den Moskauer Zoo einfing (und zwei verirrte Yetis als Beifang), ernährte er sich ausschließlich von den Hoden selbsterlegter Sibirischer Tiger. Die Begeisterung der Menschen über Superputins unglaubliche Leistungen erreichte nach seiner Rückkehr einen neuen Höhepunkt, doch sein Alptraum blieb.

Superputin musste sich eingestehen, allein nicht mehr weiter zu wissen, und beschloss, jemanden um Rat zu fragen. Superputin ist trotz seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten zum Glück immer auf dem Boden geblieben und hält große Stücke auf die tiefe Weisheit des einfachen Volkes. Also vertraute er sich mit seinem Problem seiner Putzfrau an, die er für ein besonders lebenskluges und praktisch denkendes Wesen hielt. Die Putzfrau hörte sich Superputins Geschichte an und meinte dann, er bräuchte vielleicht mal Urlaub. Kein Action-Urlaub, sondern einfach so in der Sonne am Strand liegen. Superputin dachte über ihre Empfehlung nach. Sie kam ihm zwar ziemlich banal vor, hatte aber unbestreitbar etwas Einfaches, Bodenständiges und war zweifellos praktisch gedacht.

Superputin genehmigte sich einen Urlaub auf der Krim, all inclusive. Und das Unglaubliche geschah: Er war kaum richtig angekommen, da verschwand auch schon sein fürchterlicher Alptraum. Superputin konnte wieder lachen. Er war so erleichtert und glücklich, dass er richtig ausgelassen herumalberte. Er machte Witze, die, zugegeben, hauptsächlich er selbst lustig fand. Aber wenn seine Kritiker gewusst hätten, was Superputin in den vergangenen Monaten alles durchmachen musste, hätten sie sicherlich weniger sauertöpfisch reagiert, als er im Scherz davon sprach, vielleicht mal einen Kurzausflug ins nahe gelegene Kiew zu machen, mit Emma, ihren Freunden, dem wilden Elefanten und ein paar Atomsprengköpfen zur Absicherung, weil man ja nie wissen kann.

Jedenfalls, Superputin ging es wieder gut und er war unendlich dankbar dafür. Seiner Putzfrau schenkte er ein wunderschönes Geschirrset aus edlem Porzellan mit einem handsignierten Salzstreuer in der Form seines Kopfes und einem Pfefferstreuer in der des Kopfes von Josef Stalin. Aber auch gegenüber seinem Urlaubsland empfand Superputin große Dankbarkeit. Darum schenkte er zunächst einmal der Krim eine ordentlich organisierte Abstimmung mit einem schönen, eindeutigen Ergebnis. Mit solchen Abstimmungen kennt Superputin sich nämlich aus und er weiß auch, dass Wahlen mit weniger eindeutigen Ergebnissen, die Menschen verwirren und unglücklich machen. Außerdem herrschte im Osten dieses Landes gerade eine schwere Hungersnot. Die Bevölkerung war nämlich einem betrügerischen Milchschnittenverkäufer aus dem dekadenten Westen und seinen faschistischen Helfern auf den Leim gegangen. Die ganze Landwirtschaft mit Ausnahme der Milchproduktion wurde infolgedessen vernachlässigt und dem hungernden Volk fehlte es an Brot. Aus Dankbarkeit und weil er dieses Elend nicht mit ansehen konnte, beschloss Superputin die Getreidebauern zu unterstützen. Aus den Beständen seines eigenen Landes schickte er viele moderne Erntemaschinen in das Nachbarland, ganze Kolonnen und Batterien, teilweise neuwertig und noch kaum benutzt. Da die internationale Solidarität in Superputins Land, insbesondere die mit seinen Nachbarländern, von jeher weit mehr als nur ein bloßes Lippenbekenntnis war, fanden sich auch schnell Bauern ein, die freiwillig in das Nachbarland gingen, um den hungernden Menschen dort zu helfen. Dass Superputin ihnen für diesen ehrenamtlichen Einsatz bezahlten Urlaub gewährte, verstand sich von selbst. Und so pflügten Superputins Erntehelfer dort das ganze Jahr über, im Sommer, im Herbst und im Winter den Boden um, dass kein Auge trocken blieb.

Grenzenlos wie Superputins Güte war leider auch die Missgunst seiner Gegner. Sie begannen Lügen über ihn und seine Taten zu verbreiten, die so weit hergeholt und dabei doch so gemein und verletzend waren, dass sie an dieser Stelle auf keinen Fall wiedergegeben werden sollen. Superputin ist bekanntlich alles andere als eine Heulsuse, aber diese Unterstellungen aus den Mündern einzelner fehlgeleiteter Subjekte zu hören, machte ihn sehr, sehr traurig. Traurig besonders für die Verbreiter der Lügen, denn die schadeten sich damit in erster Linie selbst. Menschen, die schlecht über Superputin redeten, erkrankten nämlich häufig schwer an ihrer eigenen Missgunst. Manchmal starben sie sogar – es hatte einige prominente Todesfälle gegeben. Gegen diese seltsame Krankheit konnte Superputin trotz seiner Fähigkeiten nichts ausrichten. Er war schließlich nicht Gott – obwohl ihm sein Freund, der Patriarch den Posten einmal angeboten hatte, aber Superputin fühlte sich damals noch nicht reif genug. Von den Provokationen seiner Gegner ließ Superputin sich zu keinem bösen Wort hinreißen. Er antwortete den faschistischen Kräften der Reaktion sachlich – diesen kapitalistischen Kriegstreibern in ihrem imperialistischen Größenwahn. Seine große Nation, die im Übrigen um einiges größer war, als es ihre derzeitigen Grenzen vermuten ließen, würden sie nicht in ihre blutigen Finger bekommen.

Superputins besonnenen Worte und Taten beeindruckten viele Menschen, nicht nur in seinem eigenen Land. Von überall auf der Welt erhielt er freundliche und aufmunternde Briefe. Ihre Schreiber zeigten sich sehr gerührt von seinen Reden, die sie vage an früher erinnerten, als eben doch Vieles besser war. Sie lobten, wie sehr er trotz harter und unfairer Angriffe auf die Kraft des Wortes vertraute – die ja auch zu Superputins Superkräften gehört, weil sie bei ihm so stark ist, dass er damit fast jede beliebige Tatsache so gut wie verschwinden lassen kann.

Am meisten bedeutete Superputin jedoch der Zuspruch jener Menschen, die seinen Einsatz gegen den Hunger auf der Welt lobten. Er begriff nun, dass sein Alptraum ihn über Umwege erst auf den richtigen Weg gebracht hatte. Die Nächte, in denen er ins Bodenlose gestürzt und danach mit eingeschrumpftem Genital erwacht war, sollten ihn an seine eigentliche Aufgabe erinnern: den Boden unter ihm zu befruchten, damit dort etwas Gutes gedeihen konnte.

Und eines Nachts hatte Superputin wieder einen Traum. Auch in ihm flog er über sein Land, doch er stürzte nicht mehr ab, sondern verspritzte im Überfliegen weiträumig seinen Samen. Und wo der Samen auftraf, wuchsen prachtvolle Früchte. Sie nahmen die tollsten Gestalten an: Sibirische Tiger, Einhörner, Elefanten, Emmas, Atomsprengköpfe – doch alle essbar. Denn hinter ihrem originellen Äußeren waren es Vollkornbrote, Weißbrote, Hefezöpfe, Kuchen, Torten, alles Erdenkliche (außer Milchschnitten). Und die Menschen stürzten sich auf sie, bissen hinein und labten sich an ihnen. Und das ganze Land wuchs, wurde weiter, größer und schöner.

Superputin lachte leise vor Wonne in seinem Schlaf. Dann kam er ein zweites Mal und wachte immer noch nicht auf.

Das große Grübeln

Das große Grübeln (schweizerisch: Das grosse Grübeln) findet dort statt: http://gruebeln.tumblr.com/ Und zwar regelmäßig, das haben Vera und ich uns ganz fest vorgenommen. Bitte klicken, lesen, abonieren, ihr wisst schon.

Falls sich jemand die Frage stellt (oder in den letzten Monaten gestellt hat), ob hier noch etwas stattfindet: doch, doch. Es war zwar zugegebenermaßen wenig los, aber das muss nicht so bleiben. Vielleicht erzeugt der neue Blog ja sogar einen neuen Schub für den alten.

And now for something completely different:

Für alle Fotografen unter euch. Ich habe zwei etwas längere, aber inspirierierende Filme auf Youtube gesehen. Und falls ihr ein paar Youtube-Filme zum Thema Fotografie kennt, wisst ihr, dass die meisten alles mögliche sind, aber nur sehr selten inspirierend. Hier also zwei sehr erfreuliche Ausnahmen.

Der erste Film ist ein Interview mit dem berühmten Fotografen Andreas Feininger (der  übrigens auch eines der wenigen wirklich guten Fotolehrbücher geschrieben hat). Der zweite ist der erste Teil eines Fotografielehrgangs, in dem es erfrischenderweise nicht darum geht, wie man eine Kamera richtig bedient, sondern tatsächlich darum, wie man ein besserer Fotograf beziehungsweise eine bessere Fotografin wird.

Riesenschlange sorgt sich um Kind

Hach, mir ist so weihnachtlich zumute. Das kommt von der irgendwie weihnachtlichen, rührenden Nachrichtenlage – Upps, nein nicht von dieser. Die Geschichte klingt zwar märchenhaft, aber nicht rührend. Ich meinte diese Geschichte, über die mich taz-online dankenswerterweise auf dem Laufenden hält:

Riesenschlange sorgt sich um Kind

Ein Python schmust am liebsten mit seinem besten Freund Dylan. Der Zehnjährige liegt im Wachkoma. Nun will Brandenburg die Riesenschlange kassieren, weil sie gefährlich sei.

BERLIN dpa | Seit der Geburt liegt der zehn Jahre alte Dylan im Wachkoma. Ein Python ist der beste Freund des Schwerstkranken aus dem brandenburgischen Schönwalde/Glien (Havelland). Videos zeigen: Der sechs Jahre alte Albino Tigerpython Ka züngelt dem Jungen zärtlich über die Wange oder legt ihm seinen gestreiften Schuppenkopf auf den Arm. Aber: In Brandenburg gilt die Schlange als gefährlich. Das zuständige Ordnungsamt will sie aus der Familie nehmen. Dagegen formiert sich zehntausendfacher Widerstand im Internet. Doch es gibt Hoffnung für die beiden ungewöhnlichen Freunde.

Dylan liegt im Wachkoma und wird künstlich beatmet. „Wenn Ka beim ihm liegt, wird der Junge viel ruhiger, Puls und Atmung entspannen sich“, sagt Vater Eckhard Gerzmehle. Das Kriechtier kam als Babyschlange in die Familie, die damals in Berlin lebte. Am Anfang hatte niemand gewusst, zu welcher Rasse es gehört. Als das dann klar war, wurde unter anderem der Sachkundenachweis für die Haltung von Riesenschlangen gemacht.

Mit dem Umzug von Berlin nach Brandenburg vor zwei Jahren änderte sich die Lage. Offiziell ist Ka nun gefährlich. Als sie kürzlich vom Grundstück ausbüchste und einen Hund verletzte, griff das zuständige Ordnungsamt durch. Der Python muss die Familie verlassen. So schreibt es das Gesetz vor. Notfalls sollte er auch beschlagnahmt werden.

Diese Geschichte ließ den Berliner Feuerwehrmann Jürgen Töpfer nicht los. Spontan startete er vor einer Woche eine Aktion im sozialen Netzwerk Facebook. „Innerhalb von zwei Stunden kamen bereits 2000 Likes“, sagt er. Bis Donnerstagmittag waren es rund 84 000. „Ich bin überwältigt“, sagt der 48-jährige, der selbst Vater ist. Seit der Übersetzung der Seite ins Englische kommen auch Kommentare aus England, Amerika und asiatischen Ländern.

Im Ringen um das Bleiberecht für Ka wird die Familie von der Erna-Graf-Stiftung für Tierschutz unterstützt. Vorsitzender Eisenhard von Loeper hofft auf ein Einsehen der zuständigen Behörde. „Der Junge braucht Ka“, betont er.

Die Exotenhaltungsverordnung lässt nach Angaben von Bürgermeister Bodo Oehme (CDU) keinen Spielraum, bietet aber Ausnahmen. Nach Paragraf 15 fallen Tiere für Schlangentanz oder Schlangenbeschwörung darunter. Oehme erwartet nun bis Montag entsprechende Bestätigungen der Familie. „Die Entscheidung über Kas Zukunft wird dann zeitnah getroffen“, kündigt er an.

Das war der Stand am 28.11. Und nun, noch vor Nikolaus, die frohe Botschaft: alles scheint gut zu werden.

Riesenschlange Ka darf wohl bleiben

Zehntausende Bürger und auch Politiker haben dafür gekämpft, dass der Tigerpython bei dem schwer kranken Wachkomakind Dylan bleiben darf. Nun ist eine Lösung da.

BERLIN dpa | Das Drama um das Wachkomakind Dylan aus Schönwalde/Glien (Havelland) und seinen besten Freund, Pythonschlange Ka, steht vor einem guten Ende. Der Vater des schwer kranken Zehnjährigen habe angegeben, dass das Tier offiziell bei einem Verwandten in Berlin angemeldet sei, sagte Bürgermeister Bodo Oehme am Dienstag. „Wenn er uns die Meldebescheinigung bringt, ist die Akte damit für uns geschlossen.“ Das Ordnungsamt der Gemeinde wollte Ka aus der Familie nehmen. In Brandenburg ist die Haltung eines Albino Tigerpython im Gegensatz zu Berlin untersagt, weil das Tier dort als gefährlicher Exot gilt.

Ka kam als Babyschlange in die Familie und wirkt der Familie zufolge beruhigend auf den Jungen, der seit seiner Geburt im Wachkoma liegt. Der Kreislauf werde stabiler und teilweise könne sogar auf künstliche Beatmung verzichtet werden, sagte Vater Eckhard Gerzmehle. Doch nach dem Umzug der Familie von Berlin nach Schönwalde änderte sich die Rechtslage. Als Ka aus der Wohnung ausbüchste und auf der Straße einen Hund verletzte, schickte das Ordnungsamt Ende Oktober die Verfügung, dass der Python die Familie verlassen müsse.

In einem zweiten Schritt will der Vater nun erreichen, dass die Riesenschlange als Therapietier anerkannt wird. „Dafür ist eine entsprechende Ausbildung und Prüfung erforderlich sowie ein Gutachten, dass der Python nicht gefährlich ist“, sagte Oehme. Wenn diese Nachweise erbracht seien, könne Ka auch wieder offiziell bei der Familie leben – und bei seinem Freund Dylan bleiben.

Dafür hatten sich neben Landtagsabgeordneten Zehntausende Menschen im Internet eingesetzt. Die Facebook-Seite „Unterstützt Wachkomakind Dylan und seine Schlange Ka“ hatte bis Dienstagnachmittag mehr als 190.000 Unterstützer-„Likes“.

Die Originalartikel finden sich hier:

http://www.taz.de/!128410/

http://www.taz.de/Wachkomakind-in-Brandenburg/!128693/

Sie wurden für vorliegendes Posting leicht modifiziert und behutsam an die journalistischen Standards des Raushau-Blogs angepasst.

Tod

Gestern Nacht war Reif auf den Autos. Ich setze mich aufs Fahrrad und fahre raus, um zu sehen, was der Herbst macht.  Das Wespenvolk in der Ampel an der Barfusstraße ist nicht mehr dort. Auf der Fahrt am Kanal entlang scheint die Sonne, aber sie wärmt nur wenig . Auch der Hornissenbaum im Spandauer Forst ist entvölkert. An den Steinpilzstellen gibt es Pilze, aber keine Steinpilze mehr. Die Fliegenpilze deuten auf sich selbst. Die Pferde tragen Mäntel. Ich finde einen Schädel.

Etwas liegt im Gras. Ich weiß sofort, was es ist und dass es tot ist. Aber ich denke: vielleicht schläft es nur. Ich fürchte mich etwas, näher heran zu gehen. Einerseits weil ich denke, es könnte aufwachen, wenn ich direkt vor ihm stehe. Andererseits weil ich weiß, dass es nicht aufwachen wird. Es wacht nicht auf.

Die Öko-Kiste — eine wirklich putzige (und wahre!) Bilder-Geschichte

Hier ist die Ökokiste:

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Das tolle Paket enthält einen Steinpilz, eine kleine Zauneidechse (die vielleicht auch eine Waldeidechse sein könnte, wenn es jemand sicher weiß, soll er es mir sagen), eine Libelle und eine Raubfliege. Da fragt man sich doch: Wie geht das zusammen? Oder mehr noch: Wie kommt das zusammen? Das, liebe Kinder, ist eine etwas längere Geschichte.

Nun denn. Ich war einmal wieder im Spandauer Forst unterwegs, wie immer auf der vergeblichen Suche nach Kreuzottern, denn die soll es dort ja geben. Bild berichtete vor 5 Jahren, aber auch in seriösen Zeitungen war davon zu lesen. Dieser Artikel aus der Zeit allerdings ist schon ein paar Jahre älter (ungefähr so viel Jahre, wie es her ist, dass die Zeit eine seriöse Zeitung war), doch es lohnt sich unbedingt, ihn zu lesen, denn offenkundig haben sie damals dort  Leute beschäftigt, die schreiben konnten.

Außer hin und wieder eine junge Eidechse sah ich jedoch keine Kriechtiere. Allerdings fand ich eine ganze Menge Pilze, zum Beispiel solche:

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Oder solche:

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Natürlich auch solche:

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Die ließ ich alle stehen. Schließlich war ich nicht zum Pilzesuchen hier. Außerdem bin ich wählerisch. Und nicht umsonst heißt es: Steinpilz kündigt Fliegenpilz an (oder so):

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Ja, Steinpilze waren auch da.

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Von denen habe ich dann doch mal ein Kilo mitgenommen. Wäre ja sonst schade drum gewesen. Mir scheint, es ist gerade Pilzsaison. Darüber, dass ich wieder keine Kreuzotter gefunden hatte, konnte mich das zumindest ein bisschen hinwegtrösten. Man sucht etwas und findet etwas anderes. So ist das im Leben, liebe Kinder. Auch ich war zu diesem Zeitpunkt nicht gesucht, aber gefunden worden. Das ahnte ich allerdings nicht.

Auf dem Rückweg schaute ich noch einmal beim Hornissennest vorbei (vgl. auch letztes Blogpost), alles wohlauf:

Zum Schluss fotografierte ich einen herbstlichen Zitronenfalter, der spät war und müde und leuchtend:

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Dann fuhr ich mit dem Fahrrad, knappe 14 Kilometer, zurück in den Wedding.

Am Abend wollte ich noch einmal los, um meine Eltern zu besuchen und meine Steinpilze zu teilen (und damit anzugeben). Ich zog meine Jacke an und etwas kribbel-krabbelte meinen Nacken entlang. Ich wischte es hastig weg und dachte dabei nicht viel, aber was ich dachte, ging so in Richtung dicker fetter Käfer. Auf dem Boden vor mir saß dann allerdings eine zierliche, kleine, ganz junge und verdammt weitgereiste Zaun-(oder vielleicht Wald-)eidechse.

Ihre ideale Aktionstemperatur hatte sie bestimmt nicht mehr, sonst wäre sie sicher auf Nimmerwiedersehen hinter den Schrank. So aber schaffte ich es, sie aufzuheben und erst einmal fernab von Schränken, Regalen, Türspalten, Ritzen unter Bodenleisten und was weiß ich noch für Verschwindemöglichkeiten auf dem Küchentisch zu platzieren.

Damit begann der Spaß erst. Nach hektischem Hantieren — immer die Eidechse im Blick — und der Zerstörung diverser Behältnisse beim Versuch, sie mit ausreichend Luftlöchern zu versehen, gelang mir schließlich mithilfe von Schere, Paketkleber und einem Pappkarton das Päckchen mit Eidechse, der Hauptbestandteil von oben abgebildeter Öko-Kiste. Als ich die Eidechse darin eingesperrt hatte, ließ ich sie in meiner Wohnung alleine und fuhr los. Kaum saß ich in der U-Bahn fiel mir ein, dass ich vergessen hatte ein Schälchen Wasser ins Paket zu stellen. Das habe ich dann nach meiner Rückkehr später am Abend, nachgeholt. Der Eidechse ging es den Umständen entsprechend, was weiß ich — sie lebte jedenfalls. Ich sagte Gute Nacht und verschloss ihr Gefängnis wieder sorgsam mit Paketkleber.

Am nächsten Morgen beim Frühstück öffnete ich das Päckchen, rückte es etwas ins Licht und die Eidechse, die erst völlig reglos dagelegen hatte, taute nach und nach auf und ging auf Erkundungstour:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Als sie begann meinen Arm hochzuklettern, dachte ich noch „Och, wie süß!“, da saß sie schon auf meinem Rücken. Dort saß sie äußerst ungünstig. Ich hatte sie nicht im Blick und nicht unter Kontrolle. Hätte ich sie abgeschüttelt oder wäre sie von allein runtergefallen , wäre sie auf dem Boden, möglicherweise schneller, als ich sie daran hindern gekonnt hätte, hinter irgendeinem Schrank verschwunden. Über die Tischplatte gebeugt zog ich ganz langsam und vorsichtig meinen Pullover aus. Die Eidechse blieb sitzen und ich hatte sie wieder auf dem Tisch.

Zu guter Letzt glückte auch die Operation  Auswilderung. Die Libelle, die Fliege und der Steinpilz gesellten sich am neuen (und ich denke auch alten) Eidechsenstandort wie von selbst dazu. Auf die zweite Rückfahrt habe ich — soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen kann — nur Steinpilze mitgenommen.

Der andere Teil dieser doch wirklich super-putzigen Geschichte, wäre der Teil, in dem sie aus Sicht der Eidechse erzählt wird. Den wird es auf dieser Welt nicht geben. Ich gehe mal davon aus, das Tier hat die meiste Zeit ganz instinktiv reagiert und davon abgesehen diese völlig unerklärliche Episode aus seiner Kindheit sofort vergessen. Falls doch nicht, ist es darüber natürlich verrückt geworden.

Einflugschneisen

Achtung Allergiker! Phobiker aufgepasst! Das folgende Video gefällt euch vielleicht nicht.

Lieber Björn, ich habe mir deinen Chuck-Norris-Kommentar unter meinem letzten Blogeintrag zu Herzen genommen. Wespennester in Laternenmasten filmen, ist ja schön und gut, habe ich mir gedacht, aber Chuck Norris würde sich mit so was nicht abgeben. Viel zu harmlos, selbst mit Weitwinkelobjektiv. Nein, das reicht nicht für eine Tier-„Doku“ auf Dmax. Wespennester sind Kinderkacke. I want to go for the real thing. I want to go for: Vespa Crabro aka Hornisse. Sieben Stiche töten ein Pferd, weiß der Volksmund, und das Volk ist weise. (Man  sieht das zum Beispiel daran, dass es ihm nie in den Sinn käme, auch nur in Erwägung zu ziehen, Angela Merkel zu wählen. Aber ich schweife ab.)  Vespa Crabro. Sieben Stiche töten ein Pferd. Glücklicherweise bin ich ja keins. Darum lade ich ein zu einem kleinen filmischen Ausflug in die Einflugschneise bis direkt vor den Hornissenhauseingang. Leider ist der Kamerazoom immer noch nicht repariert. Man kommt ja zu nichts! Darum wieder mit Weitwinkel aufgenommen. Ein durchsichtiger Vorwand, ganz nah ran zu gehen und sinnlos sein Leben zu riskieren. Mitten drin statt nur dabei, Männer! Hier kommt Einflugschneise 1. [Kamerawackeln=Hornissenberührung]

Adrenalin pur auf dem Raushau-Blog!

Nein, nicht pur. Wir mischen es mit Kerosin. Der Ort, an dem es riecht wie tausend Grillanzünder: Einflugschneise 2.

Wedding-Wespen-Nest

Dass die meisten Menschen der Natur heute entfremdet seien, ist wahrscheinlich ein zutreffendes Vorurteil. Dass „wir“ die Natur zerstören, stimmt sowieso. – „Wir“ soll heißen: wir mit den Konsumgüterschrotthalden, den Produktbergen der Lebensmittelindustrie, den 100-Pferde-für-ein-halbes-Mittelklassenarschloch-Wagen. – Schön ist es da, dass sich Teile der Natur nicht von „uns“ entfremden, sondern weiterhin ungerührt Menschennähe suchen, als gäbe es nichts Angenehmeres.

Kommt es dabei auch nur zum allerkleinsten nachbarschaftlichen Konflikt, verhält sich der moderne Mensch gegenüber dem jeweiligen Problemtier in der Regel so aufgeklärt, als hätte es die letzten 10 000 Jahre Menschheitsgeschichte nicht gegeben. Dann wird das Tier zum Dämon, der wahrscheinlich die ganze Welt verschlingen will, wenigstens aber kleine Kinder frisst. Doch anders als vor 10 000 Jahren verehrt der moderne Mensch diesen Dämonen nicht. Er ist abergläubisch, aber heilig ist ihm trotzdem nichts. Die Angst vor dem Tier ist die Angst vor dem Fremden, das das Tier ist. Und die Angst vor dem Fremden ist die Angst vor all dem, das man in das Fremde hinein projiziert. Und das sind immer nur die eigenen Dämonen. Die allerdings sind real.

Ich bin stolz und glücklich, hier auf dem Raushau-Blog sensationelles von mir selbst gedrehtes Filmmaterial präsentieren zu können. Es handelt sich um atemberaubende Nahaufnahmen des gefährlichsten Tiers Deutschlands, der Gemeinen Wespe (Vespula Vulgaris). [Ich habe die Wespe, ihre Gefährlichkeit und meine Sympathien für sie vor einigen Jahren schon einmal auf diesem traditionsreichen Blog gewürdigt: Link] Dieses Volk hat sich sein Nest in einer Verkehrsampel an der Barfusstraße eingerichtet. Das als eine geniale Idee zu bezeichnen, wäre sicherlich eine unzulässige Vermenschlichung wespischer Verhaltensweisen. Ich finde es trotzdem grandios. Es scheint mir überdies ein souverän großstädtisches Verhalten zu sein, wie es nur Wedding-Wespen an den Tag legen können. Die Gentrifizierung dürfte solche Behausungen für solche Bewohner in anderen Teilen Berlins bereits unmöglich gemacht haben. Unerschrocken habe ich mich mit meiner Digiknipse mit kaputtem Zoom bis auf wenige Zentimeter an das Nest heran gewagt. So ist es mir unter Einsatz meines Lebens gelungen, die legendäre Angriffslust unseres schärfsten Nahrungskonkurrenten in den Monaten August bis September zu dokumentieren.