Tod

Gestern Nacht war Reif auf den Autos. Ich setze mich aufs Fahrrad und fahre raus, um zu sehen, was der Herbst macht.  Das Wespenvolk in der Ampel an der Barfusstraße ist nicht mehr dort. Auf der Fahrt am Kanal entlang scheint die Sonne, aber sie wärmt nur wenig . Auch der Hornissenbaum im Spandauer Forst ist entvölkert. An den Steinpilzstellen gibt es Pilze, aber keine Steinpilze mehr. Die Fliegenpilze deuten auf sich selbst. Die Pferde tragen Mäntel. Ich finde einen Schädel.

Etwas liegt im Gras. Ich weiß sofort, was es ist und dass es tot ist. Aber ich denke: vielleicht schläft es nur. Ich fürchte mich etwas, näher heran zu gehen. Einerseits weil ich denke, es könnte aufwachen, wenn ich direkt vor ihm stehe. Andererseits weil ich weiß, dass es nicht aufwachen wird. Es wacht nicht auf.

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Die Öko-Kiste — eine wirklich putzige (und wahre!) Bilder-Geschichte

Hier ist die Ökokiste:

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Das tolle Paket enthält einen Steinpilz, eine kleine Zauneidechse (die vielleicht auch eine Waldeidechse sein könnte, wenn es jemand sicher weiß, soll er es mir sagen), eine Libelle und eine Raubfliege. Da fragt man sich doch: Wie geht das zusammen? Oder mehr noch: Wie kommt das zusammen? Das, liebe Kinder, ist eine etwas längere Geschichte.

Nun denn. Ich war einmal wieder im Spandauer Forst unterwegs, wie immer auf der vergeblichen Suche nach Kreuzottern, denn die soll es dort ja geben. Bild berichtete vor 5 Jahren, aber auch in seriösen Zeitungen war davon zu lesen. Dieser Artikel aus der Zeit allerdings ist schon ein paar Jahre älter (ungefähr so viel Jahre, wie es her ist, dass die Zeit eine seriöse Zeitung war), doch es lohnt sich unbedingt, ihn zu lesen, denn offenkundig haben sie damals dort  Leute beschäftigt, die schreiben konnten.

Außer hin und wieder eine junge Eidechse sah ich jedoch keine Kriechtiere. Allerdings fand ich eine ganze Menge Pilze, zum Beispiel solche:

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Oder solche:

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Natürlich auch solche:

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Die ließ ich alle stehen. Schließlich war ich nicht zum Pilzesuchen hier. Außerdem bin ich wählerisch. Und nicht umsonst heißt es: Steinpilz kündigt Fliegenpilz an (oder so):

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Ja, Steinpilze waren auch da.

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Von denen habe ich dann doch mal ein Kilo mitgenommen. Wäre ja sonst schade drum gewesen. Mir scheint, es ist gerade Pilzsaison. Darüber, dass ich wieder keine Kreuzotter gefunden hatte, konnte mich das zumindest ein bisschen hinwegtrösten. Man sucht etwas und findet etwas anderes. So ist das im Leben, liebe Kinder. Auch ich war zu diesem Zeitpunkt nicht gesucht, aber gefunden worden. Das ahnte ich allerdings nicht.

Auf dem Rückweg schaute ich noch einmal beim Hornissennest vorbei (vgl. auch letztes Blogpost), alles wohlauf:

Zum Schluss fotografierte ich einen herbstlichen Zitronenfalter, der spät war und müde und leuchtend:

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Dann fuhr ich mit dem Fahrrad, knappe 14 Kilometer, zurück in den Wedding.

Am Abend wollte ich noch einmal los, um meine Eltern zu besuchen und meine Steinpilze zu teilen (und damit anzugeben). Ich zog meine Jacke an und etwas kribbel-krabbelte meinen Nacken entlang. Ich wischte es hastig weg und dachte dabei nicht viel, aber was ich dachte, ging so in Richtung dicker fetter Käfer. Auf dem Boden vor mir saß dann allerdings eine zierliche, kleine, ganz junge und verdammt weitgereiste Zaun-(oder vielleicht Wald-)eidechse.

Ihre ideale Aktionstemperatur hatte sie bestimmt nicht mehr, sonst wäre sie sicher auf Nimmerwiedersehen hinter den Schrank. So aber schaffte ich es, sie aufzuheben und erst einmal fernab von Schränken, Regalen, Türspalten, Ritzen unter Bodenleisten und was weiß ich noch für Verschwindemöglichkeiten auf dem Küchentisch zu platzieren.

Damit begann der Spaß erst. Nach hektischem Hantieren — immer die Eidechse im Blick — und der Zerstörung diverser Behältnisse beim Versuch, sie mit ausreichend Luftlöchern zu versehen, gelang mir schließlich mithilfe von Schere, Paketkleber und einem Pappkarton das Päckchen mit Eidechse, der Hauptbestandteil von oben abgebildeter Öko-Kiste. Als ich die Eidechse darin eingesperrt hatte, ließ ich sie in meiner Wohnung alleine und fuhr los. Kaum saß ich in der U-Bahn fiel mir ein, dass ich vergessen hatte ein Schälchen Wasser ins Paket zu stellen. Das habe ich dann nach meiner Rückkehr später am Abend, nachgeholt. Der Eidechse ging es den Umständen entsprechend, was weiß ich — sie lebte jedenfalls. Ich sagte Gute Nacht und verschloss ihr Gefängnis wieder sorgsam mit Paketkleber.

Am nächsten Morgen beim Frühstück öffnete ich das Päckchen, rückte es etwas ins Licht und die Eidechse, die erst völlig reglos dagelegen hatte, taute nach und nach auf und ging auf Erkundungstour:

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Als sie begann meinen Arm hochzuklettern, dachte ich noch „Och, wie süß!“, da saß sie schon auf meinem Rücken. Dort saß sie äußerst ungünstig. Ich hatte sie nicht im Blick und nicht unter Kontrolle. Hätte ich sie abgeschüttelt oder wäre sie von allein runtergefallen , wäre sie auf dem Boden, möglicherweise schneller, als ich sie daran hindern gekonnt hätte, hinter irgendeinem Schrank verschwunden. Über die Tischplatte gebeugt zog ich ganz langsam und vorsichtig meinen Pullover aus. Die Eidechse blieb sitzen und ich hatte sie wieder auf dem Tisch.

Zu guter Letzt glückte auch die Operation  Auswilderung. Die Libelle, die Fliege und der Steinpilz gesellten sich am neuen (und ich denke auch alten) Eidechsenstandort wie von selbst dazu. Auf die zweite Rückfahrt habe ich — soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen kann — nur Steinpilze mitgenommen.

Der andere Teil dieser doch wirklich super-putzigen Geschichte, wäre der Teil, in dem sie aus Sicht der Eidechse erzählt wird. Den wird es auf dieser Welt nicht geben. Ich gehe mal davon aus, das Tier hat die meiste Zeit ganz instinktiv reagiert und davon abgesehen diese völlig unerklärliche Episode aus seiner Kindheit sofort vergessen. Falls doch nicht, ist es darüber natürlich verrückt geworden.